Der-Pflegebedarf.de – Die Seite für Pflegeberufe, Pflegestufen und Pflegebedarf

Stufensprung – nur eine Mogelpackung?

Der Gesetzgeber hat mit dem Jahreswechsel eine vermeintlich großzügige Überleitungsregelung geschaffen. Er spricht von einem sogenannten einfachen bzw. doppelten „Stufensprung“. So werden z.B. Personen, die bereits eine Pflegestufe in einem Bescheid zugeteilt bekommen haben, in einen um eine Zahl höheren Pflegegrad übergeleitet. Sollte ein Versicherter darüber hinaus in einem Bescheid der Pflegekasse auch noch eine eingeschränkte Alltagskompetenz anerkannt bekommen haben, so wird er in einen um zwei Zahlen höheren Pflegegrad übergeleitet.

 

Die nachfolgende Tabelle soll diese Regelung für alle Pflegestufen verdeutlichen.

 

Überleitungsregelung:

Versicherte ohne eingeschränkte Alltagskompetenz (EA):

Stufe 1                                           Pflegegrad 2

Stufe 2                                           Pflegegrad 3

Stufe 3                                           Pflegegrad 4

Stufe 3 + Härtefall                    Pflegegrad 5

 

Versicherte mit eingeschränkter Alltagskompetenz (EA):

Ohne Stufe + EA                        Pflegegrad 2

Stufe 1 + EA                                 Pflegegrad 3

Stufe 2 + EA                                Pflegegrad 4

Stufe 3 + EA                                Pflegegrad 5

Stufe 3 + Härtefall                   Pflegegrad 5

 

Die Bezeichnung „Stufensprung“ erscheint jedoch bei genauerer Betrachtung zumindest in Teilen irreführend. Auch wenn hinter dem Pflegegrad eine höhere Zahl steht, so fällt der Umfang der Leistung bei einem einfachen „Stufensprung“ nicht zwingend höher aus. Sie entspricht vielmehr der bisherigen Struktur der Pflegestufen.

 

Insofern treten die Pflegegrade mit ihren um jeweils eine Zahl höheren Bezeichnungen an die Stelle der jeweiligen Pflegestufen.

 

Auch wenn sich die Struktur bezüglich der jeweiligen Ausprägung von Pflegebedürftigkeit in Wirklichkeit nicht geändert hat, so gibt es dennoch unterschiedliche Leistungen der Pflegeversicherung zwischen dem Vorjahr und heute. Darüber hinaus ist außerdem zu beachten, welche Leistung gewählt wird.

 

Im ambulanten Bereich stehen zum Beispiel sogenannte Pflegesachleistungen, d.h. ein ambulanter Pflegedienst, der einen gültigen Versorgungsvertrag mit den Kostenträger geschlossen hat, erbringt die pflegerische Versorgung und rechnet direkt mit der Pflegekasse die Kosten für Grundpflege ab. Dann unterscheiden sich die Leistungen wie in der nachfolgend aufgeführten Tabelle (vgl. § 36 SGB XI).

 

Bis 31.12.2016                                Ab 01.01.2017

Pflegestufe I               € 468,00         Pflegegrad 2              € 689,00

Pflegestufe II             € 1.144,00       Pflegegrad 3              € 1.298,00

Pflegestufe III           € 1.612,00       Pflegegrad 4               € 1.612,00

Pflegestufe III+         € 1.995,00      Pflegegrad 5               € 1.995,00

 

Des Weiteren kann von einem Versicherten im ambulanten Bereich z.B. auch Pflegegeld in Anspruch genommen werden. Dann verändern sich die Zahlen wie in der nachfolgend aufgeführten Tabelle (vgl. § 37 SGB XI).

 

Bis 31.12.2016                               Ab 01.01.2017

Pflegestufe I              € 244,00         Pflegegrad 2              € 316,00

Pflegestufe II            € 458,00         Pflegegrad 3              € 545,00

Pflegestufe III           € 728,00         Pflegegrad 4              € 728,00

Pflegestufe III+ nicht möglich        Pflegegrad 5              € 901,00

 

Ein Härtefall konnte in der Vergangenheit bei Inanspruchnahme von Pflegegeld nicht geltend gemacht werden.

 

Bei stationärer Pflege jedoch hat der Gesetzgeber mit den veränderten Leistungen ein Instrument geschaffen, mit welchem er auf die Versicherten, die sich überlegen könnten, stationäre Pflege als Versorgungsstruktur auszuwählen, in den unteren Pflegegraden sich dennoch einer alternativen Lösung zuzuwenden. Beispiele hierfür wären Pflegesachleistungen auch in Kombination mit Pflegegeld oder Tagespflege.

 

Wie sich die Leistungen bei vollstationärer Pflege verändern, darüber soll die nachfolgende Tabelle Auskunft geben (vgl. § 43 SGB XI).

 

Bis 31.12.2016                                  Ab 01.01.2017

Pflegestufe I              € 1.064,00         Pflegegrad 2              € 770,00

Pflegestufe II             € 1.330,00         Pflegegrad 3              € 1.262,00

Pflegestufe III            € 1.612,00         Pflegegrad 4              € 1.775,00

Pflegestufe III+          € 1.995,00        Pflegegrad 5              € 2.005,00

 

Damit wird deutlich, dass Versicherte, die ab dem 01.01.2017 Leistungen der vollstationären Pflege in Anspruch nehmen wollen, bei Einstufung in Pflegegrad 2 € 294,00 je Monat weniger erhalten, als bisher in der vergleichbaren Pflegestufe I. Bei Einstufung in den Pflegegrad 3 fällt der Betrag immerhin noch um € 68,00 je Monat niedriger aus als bisher in der vergleichbaren Pflegestufe II. Erst ab dem Pflegegrad 4 kann ein Versicherter mit höheren Leistungen rechnen als bisher in der Struktur der Pflegestufen.

 

Ein weiterer Faktor, welcher die Kostenstruktur einer vollstationären Pflegeeinrichtung beeinflusst, ist der sogenannte einrichtungsspezifische „einheitliche Eigenanteil“. Mit Inkrafttreten der einzelnen Regelungen aus dem Pflegestärkungsgesetz (PSG) II wird von den Pflegeeinrichtungen ab dem 01.01.2017 der sogenannte „einheitliche Eigenanteil“ in Rechnung gestellt. Gemeint sind damit die Restkosten nach Abzug der Leistungen der Pflegeversicherungen an dem Gesamtheimentgelt der Pflegeeinrichtung.

Dieser „einheitliche Eigenanteil“ gilt in der Höhe zukünftig unabhängig von der Höhe des jeweils erteilten Pflegegrades. Das bedeutet, dass bei Versicherten, die ab dem 01.01.2017 in eine Pflegeeinrichtung einziehen, der Eigenanteil in den Pflegegraden 2 und 3 signifikant höher ausfallen kann, als bisher die Restkosten bei der Struktur der Pflegestufen nach altem Recht. Rechnet man nun auch noch die geringere Leistung der Pflegeversicherung bei Versicherten in Pflegegrad 2 hinzu (immerhin € 294,00 weniger als bei Pflegestufe I), kann die Differenz zwischen dem Eigenanteil nach altem Recht und dem „einheitlichen Eigenanteil“ nach neuem Recht durchaus (dies in Abhängigkeit von den Pflegesätzen der Einrichtung) € 1000,00 oder mehr je Monat betragen, die zu Lasten des Versicherten gehen.

 

Somit kann der Schluss gezogen werden, dass der Grundsatz „ambulant vor stationär“ vom Gesetzgeber mit dem neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff und dies aus vorrangig wirtschaftlichen Gründen verstärkt forciert wird.

 

Die Klientel soll letzten Endes dazu bewegt werden, die stationäre Pflege nur als letztmögliche Lösung für eine pflegerische Versorgung in Betracht zu ziehen.

 

Dies kann in der Zukunft zur Folge haben, dass sich die Belegungsstruktur von stationären Pflegeeinrichtungen derart nachhaltig verändern wird, dass bei einzelnen Einrichtungen gar die Existenz eben solcher Einrichtungen (z.B. wegen nicht belegter Heimplätze) in Frage zu stellen ist.




Bisher keine Kommentare

Einen Kommentar schreiben

du mußt angemeldet sein, um kommentieren zu können.