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Wird das PSG II zur Existenzfrage für Pflegeheime?

Nach Aussagen des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) stehen durch die Einführung des PSG II zukünftig 5 Milliarden Euro mehr pro Jahr für die Versorgung Pflegebedürftiger zur Verfügung.
Dass damit gleichzeitig auch mehr Leistungen bei den Pflegebedürftigen ankommen werden,

trifft nur zum Teil zu. Während der ambulante Sektor von der Erhöhung der Mittel durchaus profitiert, gerät der vollstationäre Bereich der Altenhilfe zunehmend unter Druck.

Mit der Neuordnung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs werden zukünftig zwar verstärkt auch psychische Faktoren Pflegebedürftiger berücksichtigt, jedoch darf dabei nicht übersehen werden, dass damit auch die Hürden höher gesetzt werden, höhere Leistungen der Pflegeversicherung in Anspruch zu nehmen. Pfle-gebedürftige, die bisher allein auf Grund körperlicher Faktoren (in den Bereichen Körperpflege, Ernäh-rung und Mobilität) einen Pflegebedarf aufgewiesen haben, bleiben nach der Neuordnung des Pflegebe-dürftigkeitsbegriffs Leistungen der Pflegegrade 4 und 5 (heute Leistungen der Stufe 3 und Stufe 3 + Här-tefall) verwehrt.

Ursache für diesen erhöhten Anspruch an die Voraussetzungen ist das neue Begutachtungsverfahren. Durch die Umstellung der Prüfkriterien von einer Zeitbemessung definierter Katalogverrichtungen auf eine Punktevergabe innerhalb prozentual gewichteter Module (= die 6 Bereiche der Pflegebedürftigkeit) ist ein direkter Vergleich der beiden Begutachtungssysteme nahezu unmöglich. Hierbei machen die psy-chischen Faktoren (kognitive Fähigkeiten, Verhaltensweisen und psychische Problemlagen) zusammen 15 % der Gewichtung sowie die Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte 15 % der Gewich-tung und damit immerhin insgesamt 30 % der Gewichtung der Module aus. Mindestens 70 % aller Fakto-ren werden aber für die Erteilung des Pflegegrades 4 benötigt. Davon, dass ein Pflegebedürftiger jeweils 100% der Punkte innerhalb eines Moduls erhalten wird, ist nur in Ausnahmefällen auszugehen (z.B.: bei Komapatienten oder Querschnittsgelähmten).

Darüber hinaus werden die Leistungen der Pflegekassen für die Pflegegrade 2 + 3 (heute Pflegestufen 1+2) zum Teil signifikant abgesenkt. So erhalten zukünftig Pflegebedürftige des Pflegegrades 2 in voll-stationärer Versorgung nur noch € 770/Monat statt heute noch € 1.064/Monat. Das ist ein Unterschied von € 294 monatlich. Für Pflegebedürftige der Pflegestufe 2 in einer vollstationären Versorgung sinkt der Anspruch von derzeit € 1.330/Monat auf zukünftig (Pflegegrad 3) € 1.262/Monat. Dies ist ein Unter-schied von immer noch € 68 monatlich.

Wenn man nun auch noch berücksichtigt, dass mehr als 70% aller Pflegebedürftiger in vollstationären Einrichtungen unterhalb der Pflegestufe 3 eingestuft sind, wird deutlich, dass von Verbesserungen der Leistungen im vollstationären Bereich nicht nur nicht ausgegangen werden kann, sondern die Existenz einzelner Einrichtungen gefährdet scheint.

Was bei den beabsichtigten gesetzlichen Veränderungen möglicherweise unberücksichtigt geblieben ist, ist der Sachverhalt, dass bei der Klientel, die derzeit in vollstationärer Pflege versorgt werden, im Regel-fall keine Möglichkeit mehr besteht, eine ambulante Versorgung sicherzustellen. Entweder fehlt die Be-reitschaft Angehöriger, Pflege zu übernehmen, oder es steht keine Laienkraft für die Übernahme pflegeri-scher Leistungen zur Verfügung.

So kann ebenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass einzelne Träger von vollstationären Pflegeeinrich-tungen personelle Korrekturen bei sich verringernden Umsätzen vornehmen werden. Dies wiederum könnte zur Folge haben, dass bei vollstationären Einrichtungen gemäß jeweiliger Trägerentscheidung ein Personalabbau auf Grund sinkender Erträge durchgeführt wird, obwohl die Arbeitsbelastung sowie Ar-beitsdichte trotz eines sich nicht verringernden Pflegebedarfs gestiegen sein wird.

Zumindest im Bereich der vollstationären Altenhilfe kann unter solchen Vorzeichen von einer Verbesse-rung der Pflegesituation nicht gesprochen werden. Derartige Entwicklungen werden dann zwingender Weise auch die Pflegebedürftigen zu spüren bekommen.

Autor: Holger Biemann




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